Deine Stimme
Dein Hund versteht kein einziges Wort, das du sagst. Aber er versteht, WIE du es ausdrückst. Denn die Sprache deines Hundes ist genau das: "Wie ist deine Körpersprache?" und "Wie ist die Betonung in deiner Stimme?" Wenn wir also mit unserem Hund wirklich kommunizieren wollen, dann werden wir uns bquemen müssen, es IN SEINER SPRACHE zu machen. Ob wir wollen oder nicht. Deshalb schauen wir uns das ein bisschen genauer an.
Der Ton macht die Musik!
Finden wir uns damit ab: Unser Hund versteht kein Wort, das wir sagen. Aber er versteht, WIE wir es sagen. Deshalb achten wir von heute an darauf, welchen TONFALL wir anschlagen, wenn wir mit unserem Hund kommunizieren. Und auch hier "eskalieren" (also steigern) wir unsere Stimme jedes Mal, als wäre es das erste Mal.
- Freundliche Bitte
- Eindringliche Bitte
- Freundliche Aufforderung
- Eindringliche Aufforderung
- Militärischer Kommandoton
- Diktatorischer Kommandoton
Jedes Kommando, das wir von jetzt an von unserem Hund verlangen, beginnen wir mit einer Bitte. Das steigern wir mit jeder Wiederholung über die Aufforderung bis zum Kommandoton. Das heißt: Wir wiederholen stets dasselbe Kommando (ohne Abweichung!) und steigern nur den Tonfall selbst mit jeder Wiederholung.
Bitte - Aufforderung - Kommandoton
TIPP Übe das VOR DEM SPIEGEL mit allen möglichen Kommandos, die du von deinem Hund verlangen willst. Prüfe dabei, wie du wirkst. Achte auch auf deine Körpersprache! Beides MUSS in Einklang sein!
Diese Steigerung ist notwendig, weil wir zum Einen so erfahren, wie bereitwillig unser Hund die Anweisungen, die wir ihm geben, ausführt. Je mehr wir eskalieren müssen, desto weniger Respekt hat unser Hund für uns übrig. Und zum Zweiten macht es uns das Leben immer leichter. Denn wenn wir uns immer daran halten, lernt unser Hund, dass Diskutieren nur Verschärfungen der Anweisung mit sich bringt. Und wenn er das erst mal begriffen hat, können wir unsere Anweisungen schon bald mit gemurmelten Kommandos oder sogar flüchtigen Handzeichen geben, so dass es für Außenstehende fast so aussieht, als hätte unser Hund eine telepathische Beziehung zu uns.
Nicht quatschen! Machen!
Eines der Hauptprobleme in der Kommunikation mit unserem Hund besteht darin, dass wir ihn gern zuquatschen, bis ihm die Ohren bluten. Doch wie das im Leben so ist: Schon nach kurzer Zeit hören sie uns gar nicht mehr zu, wenn wir vor uns hinplappern. Das ist grundsätzlich erst mal kein Problem. So können sie unsere Geheimnisse, die wir ihnen anvertrauen, nicht weitererzählen. Es wird aber zu einem Problem, wenn sie wegen des "Weghörens" auch unsere Kommandos und Anweisungen ignorieren. Noch nicht mal absichtlich. Einfach, weil sie die Kommandos aus dem Wortschwall gar nicht heraushören können.
Schweigen ... Kommando ... Schweigen
Deshalb werden wir ab heute ganz bewusst darauf achten, dass wir vor, während und nach Kommandos nicht sinnlos quasseln. Wenn wir also ein Kommando oder eine Anweisung geben wollen, dann beschränken wir uns auf das Notwendigste. Kein überflüssiges Wort.
FALSCH "... und dann habe ich meiner Nachbarin gesagt, sie soll ... Bello! Sitz! .. wo war ich? Ach ja, ich habe ihr also gesagt ... Bello! SITZ, habe ich gesagt! ... also ich habe ihr mal so richtig meine Meinung gesagt. Ja, das habe ich ... BELLO! DU UNGEZOGENES VIEH! SITZ ENDLICH! ... Wo war ich gerade? Mein Hund regt mich echt auf. Nie hört er, wenn ich etwas sage! ..."
RICHTIG .... (Schweigen, mindestens 30 Sekunden lang) ... "Bello! ... (Pause) ... Sitz!" ... (Schweigen, mindestens 30 Sekunden lang)
Mein Hund versteht jedes Wort, das ich sage!
Oh ja, es gibt sie, die Leute, die allen Ernstes glauben wollen "Mein Hund versteht jedes Wort, das ich sage!" Und sie beharren so fest darauf, dass es schon sektenhafte Züge bekommt. Also machen wir die Probe aufs Exempel:
Versteht mein Hund wirklich, jedes Wort - oder wenigstens nur ein paar wenige Wörter - von dem, was ich ihm sage?
Schnappe dir die Leine und gehe mit großem Enthusiasmus und laut ausgedrückter Freude auf deinen Hund zu:
"Komm her, du mieser, kleiner Zeckenteppich! Du hast mich jetzt lange genug geärgert. Wir beide gehen jetzt zum Abdecker. Da lasse ich dich schlachten und dir das Fell abziehen. Aus dem Fell mache ich mir schöne Hausschuhe. Und aus dem Rest machen wir leckere Hunde-Wurst. Danach gehe ich zum Tierheim und hole mir einen besseren Hund, als du jemals hättest sein können."
Na? Wie reagiert dein Hund? Ist er verängstigt, ob dieser obszönen Gedanken, die du da so verächtlich äußerst? Oder hopst er, deine empathische Ausstrahlung von großer Freude aufgreifend, freudig um dich herum und kann es gar nicht erwarten, endlich geschlachtet zu werden und das Fell über die Ohren gezogen zu bekommen, bevor er durch einen besseren Hund ersetzt wird?
Tatsächlich hat dein Hund KEIN EINZIGES WORT verstanden. Null. Gar keins. Was er aber versteht, sind
deine Stimme
und
deine Körpersprache
Und beides drückt gerade große Freude aus. Das nimmt er auf und freut sich mit dir. Und deshalb ist dein Hund sogar dann mega-begeistert, wenn du ihm erklärst, dass dies sein letzter Tag auf Erden ist.
Nicht das WAS, sondern das WIE ist entscheidend!
Nicht WAS du sagst, sondern WIE du es sagst, ist entscheidend! Auch da kannst du jederzeit eine praktische Probe machen: Lege maximale Freude in deine Stimme und Körperhaltung und beschimpfe deinen Hund aufs Übelste! Und du wirst sehen, dass er sich gemeinsam mit dir freut. Und nun lege maximalen Ärger in deine Stimme und deine Körperhaltung und rufe den Kosenamen deines Hundes! Und du wirst sehen, wie er dich anschaut und überlegt, was er wohl jetzt schon wieder falsch gemacht haben könnte.
Grundregel: Hohe Stimmlage = Lob; tiefe Stimmlage = Forderung
Du wirst es ganz instinktiv (ja, auch du hast Instinkte) schon richtig machen. Trotzdem sei noch einmal daran erinnert:
- Hohe Stimmlage = Lob & freundliche BitteWenn du mit deiner Baby-Stimme sprichst, wird dein Hund es als Lob akzeptieren. Ganz egal, was du dann sagst.
- Tiefe Stimmlage = Forderung & diktatorischer KommandotonWenn du deiner Stimme einen tiefen Bass gibst, "grollst" (knurrst) du in den Ohren deines Hundes. Dann wird er jedes Wort als forderndes Kommando auffassen. Ganz egal, was du dann sagst.
Tipp Übe die unterschiedlichen Kommandos, die du deinem Hund geben willst, in den verschiedenen Tonlagen vor dem Spiegel! Achte dabei darauf, dass deine Körpersprache stets mit deinem Tonfall in Einklang steht! Dein Hund wird stets beides zusammen beurteilen.
Du siehst: Es ist (meistens) gar nicht notwendig, lauter zu werden, als man unbedingt muss, um gehört zu werden. Der Tonfall ist viel wichtiger als die Lautstärke.
Grundregel: Muss das Kommando jetzt wirklich sein?
Manche Menschen scheinen ihre Hunde wie Spielzeuge, die man per Fernsteuerung dirigert, zu betrachten. Doch es sind Lebewesen. Sie haben ihre eigenen Vorstellungen von der Welt. Sie haben Interessen, Neigungen und Abneigungen.
Überlege dir vor jedem Kommando, ob es jetzt wirklich sein muss; oder ob es nicht auch ohne geht. Je weniger du kommandierst, desto besser wird dein Hund auf dich hören.
FALSCH "Nein! (dies) ... Nein! (das) ... Nein! (jenes) ... Nein! (welches) ... " Überlege dir gut, wann und wie oft du deinem Hund das "Nein!" kommandierst. Irgendwann wird er glauben, sein Name sei "Nein!"; und dann verliert das Kommando an inhaltlichem Wert: Dein Hund wird es schlicht immer weniger befolgen, je öfter du es rufst.
RICHTIG Lasse deinen Hund Hund sein! Gängele ihn weniger und sei ein guter, toleranter Rudelführer. Dann wird auch das "Nein!", das man hier und da wirklich mal braucht, auch noch befolgt.
Grundregel: Erst die Aufmerksamkeit. Dann das Kommando!
Wenn dein Hund gerade abgelenkt ist, dann kannst du vor ihm Samba tanzen und eine Arie aus dem Glöckner von Notredame singen: Er wird es nicht bemerken. Also sind auch Kommandos, ganz egal, wie herrisch du sie rufst, vergebene Mühe.
Hole dir zuerst die Aufmerksamkeit des Hundes! Gib ihm dann die Anweisung, die du ihm geben willst. Beginne immer mit einer Bitte; denn das soll zukünftig der "Grund-Ton" eurer Kommunikation werden. Und wenn du die Aufmerksamkeit deines Hundes hast, wirst du feststellen, dass eine Bitte meistens ausreicht.
Woran du erkennst, dass du die Aufmerksamkeit deines Hundes hast? Lerne die Sprache der Hunde! Er zeigt es dir. Am sichersten erkennst du es, wenn dein Hund dich (wenigstens ganz kurz) anschaut. Das macht er in unregelmäßigen Abständen immer und immer wieder; ganz egal, wie weit er gerade von dir entfernt ist. Und er macht es umso häufiger, je stärker euer gegenseitiger Respekt ist, je größer sein Vertrauen in dich ist.
Schaut er dich also nicht an, obwohl du gerade seine Aufmerksamkeit haben willst, dann rufe seinen Namen, STATT des Kommandos. Warte mit dem Kommando, bis du wirklich sicher seine Aufmerksamkeit hast; und gib es ihm erst dann.
Grundregel: Spare mit dem hartem Tonfall!
Im Abschnitt zum Respekt haben wir es ausführlicher betrachtet: Respekt nutzt sich ab. Dein Hund hat nicht endlos davon. Wenn du zu oft grob wirst, verliert er Respekt, und damit Vertrauen. Zugleich wird dein harter Tonfall für ihn aber Normalität. Es ist dann nichts bemerkenswertes mehr; sondern einfach nur deine übliche Laune. Und das kann FÜR DICH ZUM PROBLEM werden, wenn du wirklich mal auf deine dominante Autorität setzen musst, weil der Hund beispielsweise droht, auf eine vielbefahrene Straße zu laufen; und du ihn nun schleunigst - und daher mit hartem Kommandoton - abrufen willst und musst.
In diesem Kapitel
- Erziehung
- Methoden der Erziehung
- Vermenschliche mich nicht!
- Hunde sind Nutztiere! Keine Kuscheltiere!
- Denke wie ein Hund!
- Was Rudelführung bedeutet
- Mein Hund ist anders!
- Warum anti-autoritäre Erziehung nicht funktioniert
- Gewaltfreie Erziehung? Geht das?
- Grundregeln der Hunde-Erziehung
- Deine Stimme
- Deine Körpersprache
- Die richtige Belohnung
- Die wichtigsten Fehler bei der Hunde-Erziehung
- Desensibilisierung: Sozialisierung vs. Traumatisierung
- Brauche ich einen Hunde-Trainer?
- Hilfe! Ich habe einen Problem-Hund!